Hindens Rev (Halbinsel Kålland): Wandern im Naturreservat

Halbinsel Kålland: Hindens Rev

Hindens Rev entdecken(Foto: © Lennart Horzonek) Eine schmale, einspurige Straße führt vom südlich gelegenen, feinsandigen Badestrand Svalnäs zum Startpunkt. Es ist ein kleiner Parkplatz mit Wegweiser, an dessen Ende ein Wanderweg beginnt. Eigentlich nicht viel mehr als ein Trampelpfad, dicht bewachsen und teils überwuchert von Gestrüpp. Aber eindeutig geht es dort entlang, denn sonst führt hier nichts weiter voran in dieser kleinen Sackgasse. Es ist Juli. Heiße Temperaturen – hier im Wald etwas abgekühlt. Ein leichter Wind geht. Ich stelle meinen Wagen ab, schnüre die Schuhe und trinke einen Schluck. Die Sonne steht noch hoch – los geht’s!

Das Ziel lautet Hindens Rev. Vielmehr ist der Weg das Ziel, denn ich laufe bereits auf ihr – einer vor ungefähr 11.000 Jahren entstandenen Endmoräne. Eine naturhistorische Erinnerung an die Reste eines Gletschers, durch den sich hier nach und nach diese außergewöhnliche Formation bilden konnte – ähnlich einer Halbinsel. Gletschermaterial und Gestein konnten hier durch kurzzeitiges Innehalten der Kältephase vor dem Gletscherende angehäuft werden. Ein geschichtsträchtiger Ort. Atemberaubend ist es, nun über das durch die Polkappen-Schmelze bedingte Erbe zu laufen. Der Weg führt schnurgerade auf den Vänern. Von Anfang an war ich von dieser Vorstellung fasziniert, mitten hineinzulaufen. Knapp fünf Kilometer reicht dieses Stück Land auf Schwedens größten See, welches nie eine größere Breite als 100 Meter misst und an schmalster Stelle auf knapp ein Viertel davon kommt. Schwer greifbar ist das Ausmaß dieses Naturschauspiels. Sein Name „Rev“ lässt es zumindest erahnen: Im Schwedischen bedeutet das Wort „Angelschnur“.

Unwegsam, aber nicht unbewohnt

Hindens Rev: Wanderweg
Am Beginn des Wanderwegs unweit des Parkplatzes © Lennart Horzonek

Unwegsam ist das Gelände. Es beginnt im Wald mit dickem Wurzelwerk und wird dann steinig. Kiesel und Felsen. Gestein – grob, glatt, groß und klein. Zugewucherte Abschnitte, umgestürzte Bäume, die den Weg versperren. Hier hat die Natur nie das Sagen verloren. Die Ufer sind dicht bewachsen mit hohem Baumbestand. Wer am Ende des Weges die Aussicht genießen will, muss dafür etwas tun und den Weg auf sich nehmen. Niemand hier. Kein Lärm. Keine Störung. Lediglich intervallartiges Plätschern von beiden Seiten ausgehend. Auch wenn teils die Sicht verwehrt wird, lässt sich erahnen, dass man sich schon lange nicht mehr in dem Waldstück befindet, sondern mittlerweile umringt ist von Wasser. Auf einmal tut sich abseits des Weges ein kleines Häuschen auf. Eingangstor. Hausnummer. Scheinbar verlassen. Wohnt hier jemand? Völlig fernab von befahrbaren Straßen an diesem herrlichen Ort? – Was für ein Glückspilz. Schmunzelnd gehe ich weiter.

Etwas später begegnen mir zwei Wanderer. Fast erschrocken haben wir uns. Nach mancher Biegung steht man hier plötzlich ohne Vorahnung auf einer Lichtung oder schaut auf das Wasser. Das Rauschen der Blätter und das Plätschern der Wellen erzeugen eine monotone, maritime Grundstimmung, die vergessen lässt, dass man unter Umständen nicht ganz allein ist. Die zwei halten mich für einen Schweden. Nicht die Ersten auf dieser Reise, die mich zuerst direkt in dieser schönen Sprache ansprechen. Erst als ich die Situation nach ein paar Sätzen „auflöse“, erkennen wir unter gemeinsamem Gelächter, dass wir aus demselben Bundesland zu kommen scheinen. So klein ist die Welt.

Hindens Rev: Vänern
Umringt von Blau – an der Spitze von Hindens Rev © Lennart Horzonek

Es geht weiter. Schritt für Schritt. Achtsamkeit ist bei jenen gefragt, die auf dem unwegsamen Gelände nicht umknicken wollen. Ohnehin lädt dieser Ort zum Innehalten ein. Links und rechts lichten sich immer wieder die Baumreihen und offenbaren den Blick auf das in der Sonne glitzernde Wasser. Das Geräusch der Wellen wird allmählich lauter und der Weg immer schmaler. Und schließlich ist es soweit. Mit einem Mal hören Bäume und Sträucher auf, die bis hierher treue Begleiter waren und geben den Eintritt frei zur Spitze dieser Landzunge. Es ist ein beeindruckender Anblick, wie der Weg aus kleinen und großen Steinen hier einfach endet. Vor meinen Augen verschwindet er einfach im Vänern und ich stehe vor dem Wasser.

Alles Lagom – an der Spitze von Hindens Rev

Freie Sicht auf ein Panorama, welches so seinesgleichen sucht. Ich drehe mich um die eigene Achse. Hinter mir schaue ich vorbei am Pfad, auf einen einzigen langen, grünen Strich. Ringsherum nur Blau. Blaues Wasser. Blauer Himmel. Sonnenschein. Ich bin außer Atem. Mir steht ein Dauergrinsen im Gesicht. Und nicht nur mir. Ein schwedisches Ehepaar teilt diesen Augenblick mit mir. Auch sie sind das erste Mal hier. Wir grinsen gemeinsam.

Hindens Rev: Landzunge
Blick zurück: im Hintergrund zeichnet sich die Halbinsel Kålland ab © Lennart Horzonek

Die Luft ist klar. So klar wie mein Kopf in diesem Moment. Kein Platz für krumme Gedanken. Ich befinde mich ganz im Augenblick. Die Sicht reicht weit – oh, so weit hinaus auf den Vänern. Direkt gegenüber lässt sich das Westufer schemenhaft erkennen. Blickt man in Richtung Norden, so zeigt sich am tiefblauen Horizont kein Land mehr. Die Wellen treffen hier nun gleichmäßig hinter dem vom Wasser förmlich verschluckten Weg aufeinander. Die Szene erinnert an das dänische Skagen. Seeschwalben, Möwen und sogar einige Kormorane tummeln sich hier ringsherum und geben ein Konzert. Die Sonne küsst, alles glitzert und reflektiert. Mehr Kontrast geht nicht an diesem mittlerweile schon vorangeschrittenen Nachmittag im Midsommar.

Was für eine Atmosphäre! Ich sitze auf einem Fels, meine Füße baden im Wasser, mein Gesicht in der Sonne. Es ist so friedlich hier. Die Zeit scheint stillzustehen. Ich bin zufrieden. Brauche nichts weiter. Lagom. Die beiden Schweden haben sich inzwischen verabschiedet. Nun bin ich alleine hier. Hier an der Stelle, wo Hindens Rev im Vänern verschwindet. Ein besonderer Moment für mich. Balsam für die Seele. Ich werde noch etwas schweigen, bevor ich wieder aufbreche.

– Vielen Dank an Lennart Horzonek für diesen Erlebnisbericht aus dem Sommer 2018. Wenn Du Fragen zum Hindens Rev oder der Umgebung am Vänernsee hast, steht Dir die Kommentarfunktion unter dem Beitrag offen. Gerne kannst Du auch eigene Berichte von Wanderungen in der Region beisteuern. Tusen tack!

Malmö in SchonenGPS-Koordinaten: Breite 58.576111°, Länge 12.899722°. Region: Schwedische Seen. Hindens Rev gehört zur Halbinsel Kålland im Vänernsee und liegt zugleich im Naturreservat Hindens Rev-Svalnäs. Du erreichst es am besten von Lidköping aus über die schmale Landstraße nach Skalunda. Ausflugsziele in der Nähe sind die Insel Kållandsö mit Schloss Läcko sowie Kållands Schärengarten mit seinen über 120 Inseln.

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