Schwedens hässlichste Städte? – Blacklist & Alternativen

Michael März
Malmö, Schweden: Västra HamnenMalmö: hässliche Seite der schwedischen Stadt

Ein Städtetrip durch Schweden kann Dich auch aus den Metropolen Stockholm, Göteborg und Malmö hinaus führen. Reizvolle Ziele in der Provinz gibt es viele: Von Stockholm aus lohnen sich Abstecher nach Uppsala, Sigtuna und Mariefred. Von Göteborg aus nach Marstrand und von Malmö aus nach Lund und Ystad. Doch nicht jede Stadt in Schweden ist schön. Insbesondere aus architektonischer Sicht. Die Initiative „Arkitekturuppropet“ (auf Deutsch: Architekturaufruf) kämpft in Schweden seit vielen Jahren gegen Betonklötze in Innenstädten. Nachdem er seine 44.000 Follower im Jahre 2017 nach den schönsten Städten in Schweden befragt hat, folgte 2018 die gegenteilige Umfrage: Welches sind Schwedens hässlichste Städte? Das Ergebnis der Umfrage habe ich zum Anlass für diesen Beitrag genommen.

Ich dachte mir: Da ich in diesem Blog viele Empfehlungen gebe, kann es nicht schaden, auch einmal das Gegenteil zu tun – also Warnungen auszusprechen. In diesem Fall geht es also um Städte in Schweden, die Du bei Deiner Reiseplanung getrost außer Acht lassen kannst. Dazu habe ich mithilfe der Umfrageergebnisse von „Arkitekturuppropet“ sowie weiterer Quellen eine Blacklist zusammengestellt. Sie umfasst zwanzig größere und kleinere Städte aus allen Landesteilen. Einige der Städte habe ich bereits selbst besucht, sodass ich meine persönliche Meinung beitragen kann. Bei anderen verlasse ich mich auf die verschiedenen Quellen. Beachte, dass die Blacklist kein Ranking darstellt, sondern in alphabetischer Reihenfolge sortiert ist. Die erstgenannte Stadt ist also nicht automatisch die hässlichste Schwedens. Von einem Ranking, wie es „Arkitekturuppropet“ vorgenommen haben, möchte ich bewusst Abstand nehmen, da es verständlicherweise Kontroversen hervorgerufen hat.

Schwedische Städte, die Du nicht gesehen haben musst

Bollnäs
Die Kleinstadt in der Region Hälsingland ist vor allem deshalb im Ranking von „Arkitekturuppropet“ zu finden, weil sie ihren Marktplatz verlor. 2008 haben die verantwortlichen Kommunalpolitiker den einzigen Platz im Herzen der Stadt an ein Privatunternehmen verkauft, das eine kleine Einkaufsmall errichten sollte. Durch die Finanzkrise ging dem Unternehmen allerdings das Kapital aus. Übrig blieb eine Brachfläche, um die herum sich einige Beton- und Ziegelbauten der 1980er Jahre versammeln. Der historische Ortskern mit alten Holzhäusern wurde damals zugunsten moderner Architektur abgerissen. Falls Du auf dem Weg von Gävle zur Höga Kusten an Bollnäs vorbeikommst, bist Du nun vorgewarnt. Ein lohnenderes Ziel sind auf jeden Fall die Hälsingehöfe in der Umgebung, welche 2012 zu Welterbestätten erklärt wurden.

Borlänge
Die Stadt in der Region Dalarna ist vielleicht dem einen oder anderen durch die Band Mando Diao bekannt, deren Mitglieder hier aufwuchsen. Ohne zuviel zu verraten: Bei der Umfrage von „Arkitekturuppropet“ erreichte Borlänge eine Topplatzierung! Und auch die beiden Macher des Portals „Detsannasverige“ (auf Deutsch: das wahre Schweden) zählten sie zu ihrer Top 10 der hässlichsten Städte und Orte. Die Liste erschien 2015 auf Schwedens größtem Reiseportal „Allt om resor“. Der schlechte Ruf von Borlänge rührt daher, dass seine Innenstadt von einem seltsam in Schwarz und Gold dekoriertem Warenhaus dominiert wird, das heute eine Bibliothek beherbergt. Hinzu kommen weitere Betonkästen rund um den Hauptplatz Sveatorg, die die einstige Kleinstadtidylle kaputt gemacht haben. Im Unterschied zu anderen Städten meiner Blacklist kann man in Borlänge jedoch noch Überreste der traditionellen Holzstadt entdecken. Negativ wiegt die Einkaufsmall rund um das „Kupolen“, welche der eigentlichen Innenstadt ihr Leben aussaugt. Solltest Du auf Deiner Schwedenreise an Borlänge vorbeikommen, würde ich an Deiner Stelle lieber noch bis Falun weiterfahren – oder lieber eine der Naturschönheiten in der Umgebung aufsuchen. So gibt es beispielsweise das Abenteuerbergwerk Tuna Hästberg, ein Geologisches Museum mit Steinpark und verschiedene Reservate mit Seen und Felsen.

Borås
Die Stadt in der Nähe von Göteborg hat bei der Umfrage von „Arkitekturuppropet“ viele andere Städte hinter sich gelassen. Und ich muss sagen, dass ich keinen Reiseführer kenne, der einen Besuch von Borås empfiehlt. Vor einigen Jahren bin ich an der Stadt vorbeigekommen, aber fand keinen Anlass, einen Zwischenstopp einzulegen. Charakteristisch für die frühere Textilarbeiterstadt sind Betonklötze der 1960er Jahre. Zur Entschuldigung der Stadtplaner könnte man ins Feld führen, dass Borås einen großen Teil seiner hölzernen Bauten durch Stadtbrände verloren hat. Andererseits wird bis in die Gegenwart am anonymen, modernistischen Stil festgehalten. Einzelne Bauten im Jugendstil sind zwar noch erhalten, aber sie werden von der Fantasielosigkeit der übrigen Bebauung überschattet. Ein weiterer Makel der Stadt sind die zur Autobahn ausgebauten Durchfahrten der Reichsstraßen 40 und 41, welche nicht um die Innenstadt herumführen, sondern sie zerschneiden. Zu den positiven Seiten von Borås zählen die vielen Grünanlagen, die zahlreichen Badestellen an den umliegenden Seen sowie die Attraktionen rund um die Themen Textilherstellung und Mode.

Eslöv
Die Kleinstadt in der Region Schonen erreichte bei der Umfrage von „Arkitekturuppropet“ einen vorderen Platz. Bereits früher hat sie im schwedischen Fernsehen als „bedauernswerteste Stadt in Schweden“ eine zweifelhafte Berühmtheit erlangt. Grund dafür ist die Abrisshysterie der 1960er Jahre, welche auch hier ihre Spuren hinterlassen hat. Die wenigen historischen Gebäude gehen auf die 1890er bis 1910er Jahre zurück. Eslöv ist eine junge Stadt. Bereits in den 1930er Jahren wurden Holzhäuser aus der Innenstadt verbannt und durch braune Ziegelhäuser ersetzt. Von solchen braunen Klötzen wird das Stadtbild bis heute dominiert. Wenn Du dennoch einmal hier vorbei kommen solltest, beispielsweise auf dem Weg von Lund zu den beiden Ringsjön, kannst Du einen Bogen um die Stadt machen und Dir lieber eines der Schlösser in ihrem Umland anschauen. Zwei davon sind auch für Besucher geöffnet: Schloss Skarkult und Schloss Ellinge.

Flen
Die Kleinstadt im Herzen Sörmlands liegt nur eine Autostunde von Stockholm entfernt und wirbt damit, „in der Nähe von allem“ zu sein. Dies klingt ein wenig nach Trost, denn in der Stadt selbst gibt es nicht viel Anziehendes. Bei der Umfrage von „Arkitekturuppropet“ liegt sie sogar vor Borås. Die schwedische Band Kent hat der Stadt ein Lied gewidmet, in dem es heißt: „Es ist weit von Flen nach Paris / aber eine Midlife-Crisis ist nahe“ … Zu den wenigen Lichtblicken in Flen gehört das alte Bahnhofsgebäude. Ein schönes Fleckchen außerhalb der Stadt ist Sparreholm am See Båven.

Hässleholm
Die Stadt in der Region Schonen klingt für Deutschsprachige schon mal abschreckend. Tatsächlich bedeutet „hässle“ im Schwedischen aber nicht „hässlich“. Der Wortteil scheint von einem Eigennamen herzurühren. Ungeachtet dessen ist die Stadt keine Schönheit. Sie entstand erst in den 1860er Jahren mit dem Bau der Eisenbahnlinien in Schonen und besaß deshalb nie einen Stadtkern mit traditionellen Holzhäusern. Als die wichtigsten Gebäude errichtet wurden, waren Funktionalität und Sachlichkeit der letzte Schrei. Deshalb kann Hässleholm gar nicht viel dafür, dass es bei der Umfrage von „Arkitekturuppropet“ einen der Spitzenplätze belegt. Zum Glück ist der nächstgelegene touristische Anziehungspunkt gar nicht weit weg: In Hovdala, südlich der Stadt, gibt es ein Schloss mit schöner Parkanlage und unweit davon das größte Baumhaus des Nordens. Im Sommer gibt es hier ein idyllisch gelegenes Café. Beim Naturum Hovdala beginnen mehrere Wanderwege durch eine sattgrüne Landschaft.

Karlskoga
Die Kleinstadt bei Örebro ist einigermaßen bekannt als Geburtsort Alfred Nobels und Sitz des früheren Rüstungskonzerns Bofors. Motorsportinteressierte kennen vielleicht auch Gelleråsen, die älteste permanente Rennstrecke in Schweden. Sie wurde 1949/50 etwas nördlich der Stadt angelegt. Ungeachtet dessen rangiert Karlskoga bei der Umfrage von „Arkitekturuppropet“ im Vorderfeld. Und auch die beiden Macher des Portals „Detsannasverige“ zählten sie zu ihrer Top 10 der hässlichsten Städte und Orte. Die Liste erschien 2015 auf Schwedens größtem Reiseportal „Allt om resor“. Hauptursache für die Fehlgestaltung der Stadt waren die Erwartungen der Kommunalpolitiker in den 1960er Jahren: Sie nahmen an, dass Bofors viele neue Arbeitskräfte anlocken würde und ließen den Stadtkern großzügig umgestalten. Selbst die Europastraße 18 wurde nicht um die Stadt herumgeführt, sondern mitten durch ihr Herz trassiert. Als alles fertig war, stellte sich heraus, dass die Bofors keine Zukunft hatte. Deshalb kommt man sich in Karlskogas Zentrum heute manchmal wie in einer Geisterstadt vor. Mein Tipp: Lieber etwas mehr Zeit für Örebro nehmen oder bis zum Schärengarten des Vänern weiterfahren.

Schweden: Holzstadt
Wie hier in Ronneby blieb eine geschlossene Holzbebauung aus dem 17. und 18. Jahrhundert nur in wenigen schwedischen Städten erhalten

Katrineholm
Die Kleinstadt in der Region Södermanland gehört zu jenem erlesenen Kreis, der es nicht nur in der Umfrage von „Arkitekturuppropet“ weit nach vorne brachte, sondern auch von den beiden Machern des Portals „Detsannasverige“ zur Top 10 der hässlichsten Städte und Orte auserkoren wurde. Die Liste erschien 2015 auf Schwedens größtem Reiseportal „Allt om resor“. Für den schlechten Gesamteindruck, den die Stadt hinterlässt, ist ihr Wandel seit den 1930er Jahren verantwortlich, als man begann, die ursprüngliche Bebauung aus den 1860er bis 1890er Jahren zu entfernen. Auf diese Weise tauschte Katrineholm sein schönes Antlitz als Gartenstadt gegen die Anonymität vieler vergleichbarer Provinzstädte Schwedens. Während die Abrisshysterie andernorts in den 1970er Jahren abebbte, wurde Katrineholm selbst bis weit in die 1980er Jahre hinein weiter verunstaltet. Ein weiterer Nachteil für die Innenstadt stellt der Wegzug des Einzelhandels dar, der sich heute weitgehend in den Industrie- und Gewerbegebieten am West- und Nordrand der Stadt abspielt. Wenn Du dennoch Halt in Katrineholm machen möchtest, findest Du noch ein paar schöne Ecken in der Drottninggata, am Stadshus, am Bahnhofsvorplatz und in der Storgata am alten Wasserturm.

Kramfors
Die Kleinstadt in der Region Västernorrland hat es trotz ihrer bescheidenen Größe zu einem vorderen Platz in der Umfrage von „Arkitekturuppropet“ gebracht. Das liegt wahrscheinlich daran, dass sie ein typisches Beispiel für die Verschlimmbesserung einer traditionellen Holzstadt zu einer modernistischen Betonstadt ist. Mit der Abrisshysterie in den 1960er Jahren verlor Kramfors viel von seiner stimmungsvollen Atmosphäre. Von den Ursprüngen der Kleinstadt, die ins 18. Jahrhundert zurückreichen, ist heute nicht mehr viel zu sehen: Im Wesentlichen sind es die Kramfors Kapelle und das „Wikström“ Kleidergeschäft. Auch die jüngsten Innenstadtbebauungen der 2010er Jahre haben die Attraktivität von Kramfors nicht gesteigert. Am besten, Du kommst nur zum Einkaufen und Auftanken hier vorbei – wirkliche Touristenziele findest Du in der näheren Umgebung: Welterbe Höga Kusten, Nationalpark Skuleskogen mit Skuleberget, verschiedene Aussichtsberge bei Nordingrå, Bollstabruk und Ullånger sowie die Wanderwege Högakustenleden, Världsarvsleden, Kyrkstigen–Vildmarksleden, Omneleden und weitere.

Ljungby
Die Kleinstadt im westlichen Småland liegt an der E4 von Helsingborg nach Jönköping. Viele Schwedenurlauber kommen hier zur An- oder Abreise vorbei. Und auch ich habe mir beim Vorbeifahren schon die Frage gestellt: Gibt es etwas in Ljungby zu sehen? – Das einstellige Ergebnis in der Umfrage von „Arkitekturuppropet“ verheißt nichts Gutes. Bei einem der letzten großen Stadtbrände in Schweden verlor Ljungby 1953 seinen historischen Stadtkern. Was das Feuer nicht schluckte, ließ die kommunale Verwaltung in der Folgezeit abreißen. Sinnbild für die Entwicklung zur Betonstadt ist bis heute das Einkaufszentrum „Månen“. Solltest Du dennoch einmal von der E4 abgefahren sein, fährst Du am besten weiter bis zum Bolmensee, um die schöne Seenlandschaft zu genießen, oder zu einem der Elchparks Elinge oder Laganland. Familien mit Kindern bietet auch das Märchenland „Sagobygden“ Abwechslung, zu dem das Märchenmuseum in Ljungby gehört.

Nässjö
Die Kleinstadt im nördlichen Småland wurde von der Initiative „Arkitekturuppropet“ nicht persönlich besucht, erhielt in ihrer Umfrage aber ausreichend Stimmen, um an einem Top 10-Ergebnis zu kratzen. Blickt man auf die Geschichte von Nässjö, dann ist klar, dass es keine Holzstadt gewesen ist, sondern ähnlich wie Hässleholm und Katrineholm erst durch den Ausbau der Eisenbahnverbindungen entstanden. Architektonische Leckerbissen hat die Stadt somit nicht zu bieten. Rund um Rathaus und Kirche dominieren Bebauungen aus dem 20. Jahrhundert, die vor Beliebigkeit strotzen. Zur Verschönerung der Stadt sollen Streetart-Fassadenmalereien beitragen. Es sind bislang jedoch noch nicht so viele entstanden, dass sich dafür ein Umweg über Nässjö lohnen würde. Solltest Du dennoch einmal hier vorbeikommen, kannst Du im Naturreservat Lövhult sportlich aktiv werden oder Dich in einem der vielen kleinen Museen unterhalten lassen. Das Eisenbahnmuseum mit seinem historischen Restaurantwagen gehört dabei zu den interessantesten.

Oxelösund
Die Kleinstadt in der Region Södermanland ist dem einen oder anderen Schwedenurlauber vielleicht von einer Fährüberfahrt nach Gotland bekannt. Aktuell gibt es die Verbindung nach Visby nicht mehr. Deshalb wirkt auch die Schnellstraße, welche bis ins Zentrum verläuft, reichlich überdimensioniert – was im Übrigen auch für die Bebauung rund um den Hauptplatz Järntorget gilt: Die großen Warenhäuser sind längst weg, aber ihre Betonklötze stehen noch. Und wie ein Symbol für die Geschmacksverirrung der Architekten thront die St.-Botvids-Kirche über der Innenstadt. In der Umfrage von „Arkitekturuppropet“ erreichte Oxelösund deshalb eine vordere Platzierung. Es gibt immerhin zwei Gründe, die Innenstadt links liegen zu lassen und nicht gleich wieder umzukehren. Der erste ist der Schärengarten westlich der Stadt, der zweite ist die frühere Küstenartilleriefestung Femöre, welche heute quasi als schwedisches „Kalter-Weltkriegs-Museum“ fungiert. Vorbei am Hafen findest Du einen kleinen Überrest des alten Oxelösunds mit Fischerhäuschen, Schärengartenmuseum und Café. Dafür lohnt sich der Umweg jedoch nicht. Besser ist es, gleich ins benachbarte Trosa zu fahren, das wegen seiner traditionellen Holzhäuschen zu den schönsten Städten Schwedens gehört.

Schweden: moderne Innenstadt
Wie hier in Östersund wurden viele schwedische Innenstädte in den 1960er Jahren mit nüchternen und verwechselbaren Betonbauten ausgestaltet

Sandviken
Die Stadt in der Region Gävleborg war tatsächlich einmal Spielort einer Fußball-Weltmeisterschaft (und ist bis heute der nördlichste der Welt). 1958 wurde das damalige Stadion „Jernvallen“ als Spielstätte genutzt. Heute kann Sandviken stolz auf seine Multifunktionsarena „Göransson Arena“ sein. Für seine Innenstadt hingegen, muss es sich eher schämen. Ähnlich wie in Hässleholm, Katrineholm und Nässjö wurde auch hier ordentlich geklotzt statt gekleckert. Funktionale Einkaufs- und Dienstleistungsgebäude dominieren das Stadtbild. Dem gegenüber stehen zwei architektonische Glanzlichter: das Wohnviertel Gamla Bruket mit seinen gemütlichen Arbeiterhäusern und das Gemeinschaftshaus „Valhalla“ mit seinen frühnordischen Stilelementen. Abgesehen davon mangelt es an Sehenswürdigkeiten. Wenn Du nicht gerade zu einer Sportveranstaltung oder einem Konzert gehst, fährst Du am besten gleich bis Falun oder Gävle weiter!

Skellefteå
Die Stadt am Bottnischen Meerbusen hat es nicht nur auf einen vorderen Platz in der Umfrage von „Arkitekturuppropet“ geschafft. Bereits 2010 wurde sie sehr häufig genannt, als die Radiosendung „Morgonpasset“ des Senders P3 nach Schwedens bedauernswertester Stadt fragte. Wie im weiter nördlich gelegenen Umeå, wurde hier in den 1960er und 1970er Jahren ganze Arbeit geleistet, um die historische Bebauung zu tilgen. Im Ergebnis ist heute noch ein einziges betagtes Holzhaus in der Innenstadt zu sehen. Das neue „Kulturhaus Sara“ wirkt vor dem Hintergrund wie ein Eingeständnis der Bausünden: Es geht als höchstes Holzhaus Schwedens in die Annalen ein. Sein Baustil unterscheidet sich aber nur unwesentlich von den modernistischen Klötzen der Innenstadt. Wirklich zum Staunen lädt dagegen die so genannte „Bonnstan“ am Skellefteälv ein. Die Holzhäuschen des kleinen Quartiers sind zum Teil schon im 17. Jahrhundert erbaut worden und dienten einst als Schlafunterkünfte für Mitglieder der Kirchenversammlung. Ein ähnliches Kirchdorf findest Du in Lövånger, 50 km südlich der Stadt. Weitere historische Bauten der Region stellt das Freilichtmuseum Nordanå aus.

Solna
Die Nachbarstadt von Stockholm hat es in der Umfrage von „Arkitekturuppropet“ weit nach vorn gebracht. Sie entstand 1943 als Zusammenschluss mehrerer Vorortgemeinden und wuchs seither an vielen Stellen mit ihr zusammen. Anstelle eines historischen Zentrums bildet das Einkaufszentrum „Solna Centrum“ zusammen mit dem Rathaus den Kern der Stadt. Für das eigentliche Stadtbild sind die unzähligen mehrstöckigen Mehrfamilienhäuser – oder lapidar: Wohnblöcke – prägend. Sie entstanden seit den 1940er Jahren und wurden im Rahmen des Millionenprogramms der 1960er und 1970er Jahre auch als neue Stadtteile erbaut. Dass man nicht wegen der Architektur oder historischer Bauwerke nach Solna fährt, scheint selbstredend. Mit dem Hagapark und Schloss Ulriksdal gibt es jedoch zwei Perlen, für die auch viele Stockholmtouristen den langen Weg aus der Innenstadt in Kauf nehmen. Alternativ haben die Filmstudios „Filmstaden“ einiges zu bieten: Hier kannst Du auf einer geführten Tour sehen, wo einige schwedische Filmklassiker der Bergman-Ära gedreht wurden.

Södertälje
Die Stadt in der Region Stockholm solltest Du besuchen, wenn Du eine typische Innenstadtbebauung der 1960er Jahre sehen möchtest. Die Bausünden jener Zeit sind hier bis heute fast lückenlos erhalten – mustergültig dafür das Einkaufszentrum „Kringlan“. Wovon dagegen jede Spur fehlt, ist die historische Innenstadt von Södertälje, welche auf das 17. Jahrhundert zurückging. Dies bringt der Stadt eine vordere Platzierung in der Umfrage von „Arkitekturuppropet“ ein. Die Sehenswürdigkeiten sind deshalb außerhalb zu finden: Schloss Tullgarn, das Kanalmuseum sowie die früheren Wikingersiedlungen Birka und Hovgården, welche zur Welterbeliste gehören. Im Umkehrschluss kann eine Übernachtung in Södertälje durchaus Sinn machen. Ein längerer Aufenthalt ist nicht zu empfehlen.

Schweden: hässliche Stadt
Der modernistische Baustil – wie hier in Stockholm – trägt nicht dazu bei, dass Innenstädte lebendig wirken

Uddevalla
Die Stadt in der Region Bohuslän geht auf das 15. Jahrhundert zurück und galt dank ihrer Blütezeit im 18. Jahrhundert als wahre Schönheit an der schwedischen Westküste. Leider wurde bei einem Stadtbrand 1806 ein Großteil ihrer Holzstadt vernichtet. Den Rest besorgte die Modernisierungswelle zum Ende des 19. Jahrhunderts und in der Mitte des 20. Jahrhunderts. In der Umfrage von „Arkitekturuppropet“ rangiert Uddevalla im Vorderfeld. Angesichts der Möglichkeiten, die sich in ihrer Umgebung bieten, würde ich von einem Besuch der Stadt abraten. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es viel sinnvoller ist, sich das nahe Lysekil oder die Halbinsel Sotenäs anzusehen. Zu den Schokoladenseiten von Uddevalla gehören der Vorort Gustafsberg – Schwedens ältester Kur- und Badeort – sowie „Emaus lantgård“, ein Ausflugsbauernhof für die ganze Familie.

Umeå
Die Stadt in der Region Lappland erreicht in der Umfrage von „Arkitekturuppropet“ eine Topplatzierung, vergleichbar mit Hässleholm und Karlskoga. Und auch bei der Umfrage „Samhällsbarometern“ im Jahr 2020 meinten nur 48% der befragten aus Umeå, dass ihre Heimatstadt schön sei. Dabei blickt Umeå auf eine lange Geschichte zurück, die eigentlich Spuren im Stadtbild hinterlassen haben müsste – spätestens seit der Neugründung im Jahre 1622. Kriege und Stadtbrände veränderten ihre Bebauung regelmäßig, dennoch gab es bis ins 20. Jahrhundert eine intakte Holzstadt. Sie war nach dem Stadtbrand von 1888 neu errichtet worden. Nach der Universitätsgründung 1965 versuchten die Stadtoberen, Umeå als Hauptstadt von Nordschweden zu vermarkten und ermöglichten eine grundlegende Umgestaltung zuungunsten des historischen Stadtbildes. Anstelle von Holzhäusern dominieren heute Betonklötze – und es werden Jahr für Jahr mehr. Bezeichnenderweise gibt es auf der Website visitumea.se keine Rubrik für Sehenswürdigkeiten! Wenn Du schon den weiten Weg hierher auf Dich nimmst, empfiehlt es sich, das reiche Kulturangebot der studentisch geprägten Stadt zu nutzen oder die Natur in ihrer Umgebung zu erkunden.

Västerås
Die Stadt in der Region Västmanland profitiert von ihrer Lage am Mälaren. Sie eignet sich als Ausgangspunkt für Ausflüge zu den Schlössern Gripsholm und Skokloster, in die Holzstadt Sigtuna, zum Welterbe Ängelsberg Bruk sowie nach Birka und Stockholm. Auf der anderen Seite braucht man sich als Besucher nicht viel Zeit für sie zu nehmen. In der Umfrage „Samhällsbarometern“ des Jahres 2020 meinten nur 35% der Befragten aus Västerås, dass ihre Heimatstadt schön sei. Und auch bei „Arkitekturuppropet“ wurde Västerås mit einem Spitzenplatz abgestraft – ein Ergebnis, das mich in seiner Deutlichkeit durchaus überrascht hat. Denn ich habe die Stadt in keiner so schlechten Erinnerung! Zugegeben: Ihre Innenstadt ist wahrlich keine Schönheit, aber am Flüsschen Svartån gibt es immerhin noch Überbleibsel ihrer früheren Holzstadt. Weitere historische Gebäude werden im Freilichtmuseum Vallby bewahrt.

Vetlanda
Die Kleinstadt in der Region Småland hat bei der Umfrage von „Arkitekturuppropet“ verhältnismäßig viele Stimmen erhalten, wenn man bedenkt, dass sie nur 14.000 Einwohner zählt. Sie ist aber auch ein mustergültiges Beispiel dafür, was in den 1960er Jahren unter „Sanierung“ verstanden wurde. Von ihrer Holzstadt blieb nach der Abrisshysterie von damals wenig übrig. Die geschmackliche Verirrung manifestiert sich im grobschlächtigen Rathaus von 1974. Falls Du in der Gegend von Vetlanda Urlaub machen möchtest, kannst Du die Stadt getrost außen vor lassen. Schöne Erlebnisse verspricht eine Fahrt mit der Schmalspurbahn oder Draisine bei Hultanäs, Goldwaschen in Ädelfors, Mountainbiking bei Ostanå oder Kanu fahren auf dem Emån.

Damit schließe ich meine Blacklist ab. Ich hoffe, dass ich die Schwarzmalerei der Initiative „Arkitekturuppropet“ durch meine Hinweise auf alternative Sehenswürdigkeiten etwas aufhellen konnte. Nachfolgend beleuchte ich die oft erwähnte Abrisshysterie in Schweden näher, um Dir die Ursachen für so manche verkorkste Innenstadt zu verdeutlichen.

Hintergrund: Abrisshysterie in Schweden

Wie hier in Stockholm-SoFo traten zumindest halbwegs ansehnliche Wohnhäuser an die Stelle der historischen Holzhäuschen

Vom Zweiten Weltkrieg verschont, verfügte Schweden in der Mitte des letzten Jahrhunderts noch über die meisten seiner traditionellen „trästad“ (auf Deutsch: Holzstädte). Gemeint sind damit historisch gewachsene Innenstädte mit geschlossener Bebauung aus Holz. Zwar fielen davon immer wieder welche Stadtbränden zum Opfer, aber es wurde auch immer wieder versucht, sie nach altem Vorbild aufzubauen. Zu den einigermaßen bekannten Ausnahmen gehört Sundsvall: Hier wurden nach dem Stadtbrand von 1870 anstelle der rund vierhundert zerstörten Holzhäuser moderne und widerstandsfähige Steinhäuser errichtet, die die Stadt heute noch sehenswert machen. Nach den letzten Stadtbränden des 20. Jahrhunderts in Karlstad (1908), Piteå (1913), Ängelholm (1918) und Strömstad (1920) ging die Gefahr für die Holzstädte jedoch nicht mehr vom Feuer aus, sondern von Abrissbirnen.

Die schwedische Baupolitik im Geiste des demokratischen Sozialismus sollte viele Innenstädte nachhaltig verändern. Seit den 1960er Jahren führte sie dazu, dass marode, sanierungsbedürftige Holzstädte durch funktionale Bebauungen aus Beton und Stahl ersetzt wurden. Die Wohnverhältnisse in den teils auf das Mittelalter zurückgehenden Quartieren gehörten zu den schlechtesten in Europa. Dem gegenüber stand eine hohe Nachfrage nach neuen Mietwohnungen, großzügigen Einkaufsmöglichkeiten und modernen Verkehrswegen. Also erhielten Architekten und Stadtplaner vielerorts Quasi-Freibriefe, um ihre modernistischen Ideen und Visionen umzusetzen. Heute, nach über fünfzig Jahren, erinnern die Resultate jener Aufbruchszeit stark an den sozialistischen Städtebau der DDR und anderer früherer Ostblockstaaten. Zum Leidwesen der betroffenen Städte: Eigentlich müssten sie die Altlasten aus Beton beseitigen. Andererseits verfügen sie dazu nicht mehr über die finanziellen Mittel. Die schwedischen Rekordjahre sind ebenso Geschichte wie die Leitideen, die die Abrisshysterie einst befeuerten. Man kann von Glück reden, dass ihr nicht auch Stockholms Altstadt Gamla Stan zum Opfer fiel!

Was denkst Du über Schwedens Betoninnenstädte? Findest Du meine Blacklist streitbar und einige der Städte vielleicht gar nicht so hässlich? – Wie auch immer: Ich würde mich über einen Kommentar von Dir freuen!

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