Das Rentier ist für uns Mitteleuropäer ein Symbol des Nordens. Wir bringen es reflexartig mit verschneiten Wäldern, eisiger Kälte und polaren Nächten in Verbindung. Dabei wird unsere Vorstellung von den Tieren weniger von Fakten als Fiktionen beeinflusst – allen voran die Weihnachtsgeschichten, in denen Santa Claus‘ Rentierschlittengespann gen Sternenhimmel schwebt. Dass die Lebenswirklichkeit der nahen Verwandten des Hirsches ein wenig anders aussieht, ist uns dabei natürlich bewusst. Wenn Du Dich schon einmal gefragt hast, wo Rentiere leben, wie sie sich ernähren und wer sich um sie kümmert, bist Du hier richtig. In diesem Beitrag möchte ich grundlegende Informationen über Rentiere zusammentragen, die nicht nur für Lapplandurlauber von Interesse sein können.
Lebensraum und Lebensgewohnheiten der Rentiere
Rentiere sind entlang des nördlichen Polarkreises zuhause. In Nordamerika werden sie Karibus genannt. Dabei handelt es um dieselbe Gattung wie in Nordeurasien. Sie alle tragen die lateinische Bezeichnung Rangifer tarandus. Von den Unterarten zählt das Waldren zu den bekannteren, da es heute noch zahlreich in Finnland und Karelien heimisch ist. Im schwedischen und norwegischen Teil Lapplands kommt das Waldren eher selten vor. Hier überwiegt das Fjällren. Der Unterschied zwischen beiden besteht darin, dass das Waldren das ganze Jahr über in den Waldregionen zwischen dem Bottnischen Meerbusen und dem Skandinavischen Gebirge lebt. Das Fjällren sucht die Wälder dagegen nur im Winter auf, wenn seine Weideflächen im Gebirge unter Schnee begraben sind. Im Frühjahr werden diese Rentiere dann wieder in die Höhenlagen getrieben. Zu ihren Nahrungsquellen zählen vor allem Flechten, Grünpflanzen und Pilze. Beobachtungen zeigten, dass sie sich gezielt die dünnen und zarten Pflanzenteile aussuchen, welche am wenigsten Pflanzenfasern enthalten und damit bekömmlicher sind.
Als Tourist wirst Du Rentieren eher begegnen als Elchen, da sie eindeutig in der Überzahl sind. Häufig trifft man sie auch an Weg- oder Straßenrändern an, wenn diese durch ihre Weiden verlaufen. Männliche und weibliche Tiere sind dabei nicht auf den ersten Blick unterscheidbar, da beide Geweihe tragen. Abseits der Zivilisation halten sich Rentiere überall da auf, wo sie reichlich Nahrung finden. Bei Wanderungen wirst Du aber meistens nur auf ihre Spuren treffen. In der weitläufigen Landschaft ziehen sie sich an ihre traditionellen Weideplätze zurück und versuchen, mückenreiche Gebiete zu meiden.
Rentierzucht der Samen
Die Rentiere Lapplands sind semidomestiziert, womit sie eine natürliche Scheu vor Menschen bewahrt haben. Ihren natürlichen Feinde wie Luchsen, Wölfen oder Bären können sie sich durch ihre Flinkheit entziehen. Die Rentierjagd ist in Lappland streng reguliert, da die Tiere fast ausnahmslos Züchtern gehören. Es sind vor allem Samen, Nachfahren der Urbewohner des skandinavischen Nordens. In ihrem kulturellen Selbstverständnis und selbst im finanziellen Auskommen spielen die Tiere nach wie vor eine zentrale Rolle. Sie sind es, die im Alltag den Takt vorgeben und den Jahreskalender bestimmen:
- Frühling: Rentierkälber werden geboren
- Sommer: Rentierkälber werden markiert
- Herbst: Bullenschlachtung
- Spätherbst: Sammlung und Aufteilung in Winterweidegruppen
- Winter: Winterweide
- Spätwinter: Abtrieb zu den Sommerweiden
Die Züchter sind jeweils Teil eines Samendorfes, also eines wirtschaftlichen und administrativen Zusammenschlusses, der die Rentierzucht in einem bestimmten Gebiet organisiert. In Schweden gibt es 51 Samendörfer, angefangen in Dalarna bis hinauf zur Grenze Finnlands.
Samendörfer in Lappland – Tourismus & Aktivitäten mit Rentieren
Je nachdem, welche Rentiere gezüchtet werden, werden die Samendörfer in Wald- und Fjällsamendörfer unterschieden. In einigen von ihnen haben sich Samen ein touristisches Standbein geschaffen:
- Gabna sameby bei Kiruna: Die Rentierzüchterfamilie Kuhmunen gewährt Einblick in die alltägliche Arbeit bei der Rentierhaltung. Beim Füttern kommst Du direkt mit den Tieren in Kontakt. Im Winter werden auch Rentierschlittenfahrten angeboten.
- Laevas sameby und Girjas sameby bei Kiruna: Das Ehepaar Sarri vermietet Stugas in Nikkaluokta, von wo aus Wanderungen in die Kebnekaise-Region starten. Die Saison dauert von Ende Februar bis Ende September.
- Njarka sameläger bei Duved: Während der Öffnungszeiten zwischen Juni und August kannst Du Dich in der Verarbeitung von Rentierhäuten, im Angeln, Kanadierfahren oder Engelwurz sammeln versuchen.
- Mittådalen, Ruvthen sitje und Handölsdalen sameby bei Vemdalen: Im Winter 2017 eröffnete mit „Lopme Laante“ eine Art Themenpark zum samischen Leben in der Region. Du lernst hier nicht nur eine traditonelle Torfkota der Samen kennen, sondern kannst auch eine Videovorführung zu acht Jahrzehnten samischer Kultur anschauen. Für Kinder gibt es ein Spielehaus oder die Möglichkeit, Lassowerfen zu üben. Das Samenland ist im Winter ans Skigebiet angeschlossen.
Wenn Du Dich selbst an das „Steuer“ eines Rentierschlittens setzen möchtest, bist Du im Wildnisdorf Solberget an der richtigen Adresse. Hier kannst Du aus drei verschiedenen Rentierabenteuern wählen und Dich von sechs erfahrenen Zugtieren durch die Winterlandschaft fahren lassen. Auch das Camp Ripan in Kiruna bietet im Winter eine Rentiertour an: Triff einen Rentierzüchter bei Jukkasjärvi und lass Dir zeigen wie man Lasso wirft und einen Rentierschlitten fährt oder hilf ihm dabei, die Tiere zu füttern. Weitere Aktivitäten mit Rentieren kannst Du über die Touristeninformationen in Nordschwedens Städten und Fjällen anfragen.
Viele Lapplandreisende interessieren sich auch für Rentierprodukte als Souvenirs; in erster Linie für die Felle der Tiere. Diese können als wärmende Sitzauflagen oder Decken für draußen genutzt werden, genauso wie sie vor dem heimischen Kamin eine dekorative Bodenauflage abgeben. Fleisch in frischer und getrockneter Form ist ebenfalls beliebt und wird gern zur Verpflegung eingekauft. Neuerdings gibt es auch Rentierchips, die aus geräucherten und gewürzten Fleischstücken bestehen. Darüber hinaus wird das Fleisch auch zu Hundefutter verarbeitet. Erhältlich sind diese Rentierprodukte bei Souvenirhändlern oder direkt bei den Erzeugern. Produkte wie Fleisch und Chips kannst Du wie andere Lebensmittel aus Schweden online beziehen. Und zu guter Letzt: Das Geweih der Rentiere ist kein Abfallprodukt, sondern ein vielseitiger Rohstoff. Das Horn kann z.B. für Messergriffe verwendet werden. Samen stellen daraus traditionelle Souvenirs her. Und wenn Du ein Faible für Jagdtrophäen hast, findest Du in Lappland auch Händler, die die Geweihe intakt verkaufen.
Soweit mein Beitrag für alle Rentierfreunde. Falls bei Dir noch Fragen offen geblieben sind, freue ich mich über Deine Zeilen im Kommentarfeld.
Hej,
ist das eine Preisfrage? 🙂 – Natürlich darf man ihn nicht nach der Größe seiner Herde fragen. Dieses ungeschriebene Gesetz gilt in ganz Lappland.
Blau-gelbe Grüße – S.
Was darf man den Besitzer der Rentier Farm nie fragen? (In Finnland)